Die Rolle der Erwachsenen- und Weiterbildung im neuen Koalitionsvertrag

Am 9. April 2025 wurde der Koalitionsvertrag für die 21. Legislaturperiode vorgestellt. Dieser markiert die Schwerpunkte der zukünftigen Koalition von CDU, CSU und SPD. Welche Rolle räumt die neue Bundesregierung der Erwachsenen- und Weiterbildung in Deutschland ein?

Bildung, Forschung und Innovation sind der Schlüssel für die Zukunft unseres Landes, so ist es im Koalitionsvertrag auf Seite 71 nachzulesen. Beim genaueren Blick in den Vertrag fällt jedoch auf: Erwachsenenbildung wird begrifflich nicht ein einziges Mal erwähnt, Weiterbildung wird sehr stark auf die berufliche Verwertbarkeit reduziert. Bildungsbezogene Inhalte fokussieren sich stark auf KiTas, Schulen und Hochschulen. Zum Beispiel erhöhen „massive Investitionen in KiTas und Schulen (…) die Chancengleichheit in unserem Land deutlich“ ( S. 3).

 Gleichwohl betonen die Regierungspartner im Vertrag: „Wir wollen Deutschland fit machen und Bildung, Forschung und Innovation einen größeren Stellenwert in unserem Land geben. Dazu werden wir massiv investieren.“ (S. 72). Jedoch werden bei der Verwendung des 500 Mrd. Euro umfassenden Sondervermögens für Infrastruktur und Klimaneutralität Krankenhäuser, Schulen, Brücken und Schienen genannt (S. 52) – außer Frage wichtige Aspekte. Aber die in der Gesamtschau wird der Eindruck erweckt, dass außerschulische Bildung hier nicht beim Invest in Infrastruktur mitgemeint ist.

Gesellschaftlicher Zusammenhalt als ein wichtiges Thema – ohne explizites Bekenntnis zur Rolle der Erwachsenen- und Weiterbildung

Zugleich wird an verschiedenen Stellen die Bedeutung des gesellschaftlichen Zusammenhalts hervorgehoben. So wird bereits in der Präambel darauf verwiesen: „Wir erleben hybride Angriffe auf unser Land mit dem Ziel, den Zusammenhalt in Deutschland zu zerstören“ (S. 1) und „Wir stärken den sozialen Zusammenhalt“ (S. 2.), während es dann weiter heißt: „Massive Investitionen in KiTas und Schulen werden die Chancengleichheit in unserem Land deutlich erhöhen“ (S. 3). Das die Erwachsenen- und Weiterbildung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt eine zentrale Rolle spielt (vgl. dazu die Darlegungen zum Positionspapier von wb-web und Partnern), wird im Koalitionsvertrag nicht gesondert erwähnt. Dafür wird die Bedeutung attraktiver ländlicher Räume für „den gesellschaftlichen Zusammenhalt und für die Akzeptanz unserer gelebten Demokratie“ (S. 36) hervorgehoben. Ebenso wird die Bedeutung gemeinnütziger Organisationen, engagierter Vereine und zivilgesellschaftlicher Akteure als zentrale Säulen unserer Gesellschaft“ (S. 104) im Papier zum Punkt Demokratiebildung und demokratische Teilhabe unterstrichen. 

Ein klares Bekenntnis zur gesamtgesellschaftlichen Bedeutung der Erwachsenen- und Weiterbildung jenseits beruflicher Fort- und Weiterbildung ist nicht auszumachen und es bleibt zu hoffen, dass diese Bildungsbereiche bei der konkreten politischen Ausgestaltung der nächsten Legislaturperiode hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen Funktionen entsprechend wahrgenommen werden. Die Fachkräftesicherung stellt für die neue Bundesregierung ein bedeutsamer Faktor dar (vgl. S. 14), für die „alle Register“ gezogen werden, damit diese gelingt. Ebenso ist die Stärkung digitaler Kompetenzen aller Menschen zur Ermöglichung gesellschaftlicher Teilhabe (vgl. S. 67) ein wichtiger Aspekt, in dem dieser Bildungsbereich wichtige Beiträge leisten kann. Die Bundesregierung plant hierfür „eine altersübergreifende digitale Kompetenzoffensive. Hierfür nutzen wir die Vielfalt von Start-ups, Wirtschaft, öffentlichen Bildungsträgern und Sozialverbänden, um innovative und nachhaltige Angebote für alle Bevölkerungsgruppen zu schaffen“ (ebd.).

Die Weiterbildungsoffensive der Koalition adressiert einen Digitalpakt Weiterbildung und ein Förderprogramm zur digitalen Teilhabe. Die Zukunft der Nationalen Weiterbildungsstrategie wird schwerpunktmäßig auf eine stärkere Standardisierung und die Transparenz von Zertifikaten ausgerichtet. Hochschulische und betriebliche Weiterbildung sollen gestärkt werden. Lebensbegleitendes Lernen soll transparent weiterentwickelt werden, ohne dass hier konkretere Ziele benannt werden (vgl. S. 74). Dabei betont der Koalitionsvertrag, dass wir als rohstoffarmes Industrieland ein modernes Bildungssystem brauchen (S. 71). Individuelle Bedarfe von Schülern müssen berücksichtigt werden, frühkindliche Bildung und Bildungsübergänge werden gestärkt, während das anerkannte Aus- und Weiterbildungssystem Wohlstand, Wachstum und Zukunftskompetenzen sichert. 

Personal der Erwachsenen- und Weiterbildung

Zum Personal der Erwachsenen- und Weiterbildung finden sich nur wenige Hinweise. Interessant für Lehrende, die auf Honorarbasis bei an Bildungseinrichtungen tätig sind, kann der Verweis auf den Umgang mit Scheinselbstständigkeit (Stichwort Herrenberg-Urteil) sein. Die neue Bundesregierung will „das Statusfeststellungsverfahren zügig im Interesse von Selbstständigen, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und Unternehmen schneller, rechtssicherer und transparenter machen (…) Scheinselbstständigkeit wollen wir verhindern“ (S. 15) 

Das Ehrenamt findet im neuen Koalitionsvertrag mehrfache Würdigung. So soll die Ehrenamtspauschale auf 960 Euro angehoben werden (S. 47) und die neue Bundesregierung will dafür sorgen, „dass ehrenamtliches Engagement Freude bereitet und mehr Anerkennung erfährt. Daher schaffen wir einen „Zukunftspakt Ehrenamt“ (S. 62). Die Übungsleiterpauschale soll auf 3.300 Euro angehoben werden.

Zugänglichkeit aller Bevölkerungsgruppen zur Erwachsenen- und Weiterbildungsangeboten

Bei der Zugänglichkeit zu Bildungsangeboten will die Bundesregierung die Migrationsberatung für erwachsene Zugewanderte fortführen, auskömmlich finanzieren und mehr in Integration investieren sowie Integrationskurse fortsetzen (vgl. S. 95) (wb-web berichtete). Ebenfalls wird die Qualifizierungsberatung für Personen mit ausländischen Berufsqualifikationen bei der Bundesagentur für Arbeit verstetigt (vgl. S. 15) und Personen, die wegen Vermittlungshemmnissen keinen Zugang zum Arbeitsmarkt finden, soll durch entsprechende Qualifizierung die dauerhafte Integration in den Arbeitsmarkt ermöglicht werden (S. 16).

Der Bereich der Grundbildung wird ebenfalls im Koalitionsvertrag bedacht. So findet sich auf Seite 75 der Hinweis: „Aufbauend auf der AlphaDekade stärken wir mit den Ländern die Strukturen und Netzwerke.“ Zusätzliche Schwerpunkte will die Bundesregierung auf Demokratie-, Gesundheits- und digitale Grundbildung legen.

Fazit

Für den zentralen Bereich der Erwachsenen- und Weiterbildung innerhalb des Lebenslangen Lernens finden sich gegenüber KiTa, Schule und Hochschule wenig konkrete Benennungen. Weiterbildung wird sehr stark auf die berufliche Verwertbarkeit bezogen. Individuelle Bildung, non-formale und informelle Bildungsangebote finden keine Beachtung. Für die Stärkung gesellschaftlicher Resilienz und der Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft mit Blick auf bestehende Herausforderungen durch Digitalisierung, Dekarbonisierung und demographischen Wandel sind Bildungsstätten und -angebote für alle Lebensphasen und alle Bürger*innen zentral. Hier kommt man in den Austausch, entwickelt Kompetenzen und nimmt an der Gesellschaft teil, was im Koalitionsvertrag trotz Benennung der Herausforderungen nicht dezidiert gewürdigt wird.

Quelle: wb-web.de


veröffentlicht auf weiterbildung-mv.de
11.04.2025

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